Business trifft Coaching

Der Podcast zur Marburger Coachingstudie

6 Coaching-Plattformen mit Prof.Dr. Harald Geißler. Virtuelle Welten, Aufklärung und Avatare

18.06.2023 33 min Carmen Wegner, Prof.Dr. Michael Stephan, Prof.Dr. Harald Geißler

Zusammenfassung & Show Notes

Heute geht es um Coaching und wie es in der digitalen Welt eingesetzt werden kann. Dazu haben sich Carmen und Michael den renommierten Führungskräftetrainer und Online Coach Prof.Dr. Harald Geißler ins Gespräch geholt. Gemeinsam ordnen sie die Entwicklungen rund um das noch junge, aber brandaktuelle Thema "Coachingplattformen" ein. Dazu berichtet Harald Geißler aus der virtuellen Coachingpraxis und gewährt interessante Einblicke in seine Schaffensweise.

Wer mehr darüber erfahren möchte: www.online-coaching-lernen.de

Seid auch nächstes Mal wieder dabei, wenn es in Folge 7 von Business trifft Coaching um Michaels liebstes "Sodbrennen"-Thema geht: Finanzcoaching and more! Da hören wir die Abofalle schon zuschnappen. Wir freuen uns auf euch.

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Übrigens: Business trifft Coaching findet ihr auch auf Youtube. Beinahe live, definitiv in Farbe! Hier gehts zur Playlist https://youtube.com/playlist?list=PLLph94D1oEKmmO8ZHTKhFsXnNU28qad33

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Unser Aufruf an euch: Macht mit und werdet Teil der Marburger Coaching-Studie! Meldet euch auch hier per mail an coaching at staff.uni-marburg.de mit dem Betreff "Teilnehmer". Herzlichen Dank im Voraus.

Titelsong: Lucas Pittman - Loose the goose
Sprecher: Julia Verena Frick
Covergestaltung, Sound Packaging, Audio- und Videoproduktion: Weberberg Recording Studio

Transkript

Michael, ein herzliches Moin Moin aus Hamburg. Ein Moin Moin zurück aus Marburg. Heute gehen ja zwei Moins nach Hamburg, weil wir heute auch einen Gast haben. Dazu gleich mehr. Genau, unser Special Guest. Da kommen wir aber noch zu. Carmen, was hast du erlebt? Wie war deine Woche? Oh, Ich habe viel gearbeitet. Ich konnte ein 1 zu 1 abschließen nach zehn Stunden bei einer Führungskraft aus der Bank und das war mein kleines Wochenhighlight, weil ich nicht nur die Überweisung bekommen habe diese Woche, sondern auch einen grünen neuen Mitbewohner. Also auf einmal habe ich eine Pflanze geschenkt bekommen und eine Schale Erdbeeren als ganz ganz herzliches Dankeschön. Das war so wertschätzen. Da habe ich mich echt gefreut. Dann liebe ich natürlich meinen Job. Ich hoffe es war kein Kaktus. Nein, nein. Es ist so ein Gummibaum, glaube ich, sagt man. Auf jeden Fall pflegeleicht. Das ist schon mal gut. Wenig Spektakuläres, muss ich sagen. Ich habe den Papst getroffen und eine Moderation gehabt mit dem VW-Konzernvorstand. Aber das war auch schon alles. Ja, ich weiß. Ich weiß es doch. Du hast es ja angeteasert, dass das wirklich passiert. Und Ich dachte noch, du machst einen Scherz, aber du warst wirklich beim Papst. Ich war in Rom und hatte Privataudienz und er hatte keine Nudel an der Backet. Ich glaube, das musst du mir erklären, weil ich gesagt habe, ich habe viele Fragen. Ja, unter anderem darf man ein Selfie mit dem Papst machen und was macht man, wenn da eine Nudel an der Nase klebt? Darf man dann sagen, ihm klebt da eine Nudel an der Nase oder lässt das bleiben? Also ja, man darf ein Selfie mit dem machen. Es werden ganz viele Selfies bei dieser Audienz gemacht. Und mit der Nudel kann ich jetzt nichts zu sagen. Er hatte da keine Kleben, aber da war so viel Entourage um den Papst herum, ich glaube, die hätten ihm vorher schon gesagt, dass er eine Nudel klebt. Wir hatten allerdings Glück, weil nach dieser Privataudienz ist er auch dann sofort operiert worden. Aktuell ist er nicht pässlich, Also insofern war das ein gutes Timing. Spannend war auch das Gespräch mit dem VW-Konzernvorstand. Wir hatten da eine Moderationsrunde mit Zulieferern, Automobilhändlern und die Frage war, welche Verantwortung trägt eigentlich auch so ein Automobilhersteller wie VW? Also Frage an den Konzernvorstand, auch für die Transformation, auch für die organisationale Transformation in der Zuliefer- und Wertschöpfungskette. Das war ein ganz spannendes Thema, zum Teil auch mit der ein oder anderen Spitze. Da kann ich einfach nicht mithalten dieses Mal, Michael. Und es sind noch viele Fragen offen, vielleicht kommen wir da an einem späteren Zeitpunkt noch mal zu. Aber wir haben ja auch einen ganz tollen Gast. Genau und den wollen wir jetzt mal fragen, was er denn so in der letzten Woche erlebt hat. Und jetzt glaube ich, müssen wir die Katze aus dem Sack lassen. Wer ist der Gast? Harald Geißler, herzlich willkommen in unserem Podcast und ich darf Ihnen die Frage stellen, wie war denn so die Zeit für Sie? Ja, danke schön für die Einladung, über die ich mich sehr gefreut habe. Ja, mir geht es gut. Ich wohne in Hamburg. Das Wetter ist seit Wochen super toll. Mein Highlight war gestern Nachmittag. Ich habe da meinen Schreibtisch relativ schnell verlassen und bin dann mal eben zur Ostsee gefahren. Das ist eine dreiviertel Stunde weg. Also hier in Hamburg war es 30 Grad, es war sehr warm. Und an der Ostsee war es dann nur so 20 Grad mit einem wahnsinnig starken Wind und unglaublichen Wäldern. Es war schon ein Sturm und das Wasser tobt und Das war gigantisch. Also bin ich voller Energie wieder zurückgekehrt. Was mache ich sonst so? Ich schreibe gerade einer Kollegin zwei englischsprachige Aufsätze für einen Sammelbank-Digital-Coach-Handbook, unter anderem herausgegeben von Johnson & Pessmore. Ganz spannend. Einmal Media Richness und dann Relational Factors, also die Beziehungsfaktoren im Coaching und insbesondere mit dem Coaching Erfolge. Also Das ist ein Buch, wo wir uns auf unsere wissenschaftliche Expertise stützen und uns aber an Praktika wenden. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, mal den Energieträger auch für alle vorzustellen. Noch haben wir nicht wirklich gesagt, wer Harald Geisler ist. Die meisten werden es zwar wissen, aber für die wenigen, die es nicht wissen sollten, vielleicht mal ein paar kurze Takte zu der Person Harald Geißler. Ich glaube, ich darf es sagen, er ist der Grand-Senior der deutschen Coaching-Szene. Er hat viel praktische Erfahrung, das glaube ich schon durchgedrungen, als Coach, als Führungskräftetrainer, als Organisationsberater und er gehört vor allem auch, und ich glaube, das ist ja gerade auch schon klar geworden, als er über das Buch gesprochen hat, er gehört auch zu den wenigen, die sich mit Coaching wissenschaftlich beschäftigt haben und beschäftigen. Harald Geisler hat Erziehungswissenschaften studiert, er hat in dem Fach auch promoviert, habilitiert, hat über lange Jahre, 30 Jahre lang, den Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg geleitet und sich dort auch eben sehr viel mit Coaching als Forschungsthema beschäftigt. Er ist, und das ist jetzt seine aktuelle Position, der Macher hinter dem Institut für Online-Coaching Lernen. Er ist Gründer, Geschäftsführer und Managing Director des Instituts. Genau, und weshalb ist das so toll, dass Sie heute hier sind, Herr Geisler? Ich möchte dann nochmal den Claim auf LinkedIn zitieren. Online Coaching gehört die Zukunft. Und da steigen wir auch mitten in das Thema der heutigen Podcast-Funde ein. Ja, gerne. Also, glaube ich, was mich zunächst mal interessieren würde ist, welche Sicht auf Coaching haben Sie denn? Ich meine, Sie haben sich schon sehr früh auch mit neuen Medien, mit technologischem Fortschritt, mit der Digitalisierung beschäftigt. Da würden ja viele sagen, ist vielleicht ja auch ein gewisser Widerspruch zu diesem Coaching-Format, was ja eher traditionell Face-to-Face ist. Also ich glaube, das wäre für die Hörerinnen und Hörer erstmal spannend zu erfahren, wie ihr Grundverständnis hier ist. Ja, Ich will das mal in etwas größere Zusammenhänge, historische Kultur, historische Zusammenhänge einordnen. Coaching ist ja etwas anders als Training und Schulung, obwohl das relativ nah dabei ist. Im Mittelpunkt steht das Lernen von Erwachsenen. Also insofern ist es ein Format des Erwachsenen Lernens oder der Erwachsenenbildung, sehr stark mit psychologischen Erkenntnissen unterfüttert. Ich ordne dieses Format ein in eine längere Tradition über mehrere Jahrhunderte und besonders wichtig ist mir da das Zeitalter der Aufklärung, also Jahrhundert. Jean-Jacques Rousseau ist da zu nennen, Immanuel Kant. Was war das Anliegen? Was waren die großen Themen dieser Zeit? Das sind ähnliche revolutionäre Themen, wie wir sie heute haben. Und man hatte in dieser Zeit das Gefühl, so kann es nicht weitergehen. Also die gesellschaftlichen Spannungen wurden immer heftiger. Das waren im Wesentlichen Spannungen zwischen Bürgertum und Adel. Die gesellschaftlichen Entwicklungen wurden blockiert. Das Bürgerrecht nahm das so wahr. Die Kirche war in einer Allianz mit dem Adel. Und gleichzeitig Gab es eine wahnsinnige Innovationswelle im Denken und auch in der Technologie? Das würde alles gebrannt. Darf ich da kurz einhaken? Das finde ich ja sehr spannend, weil viele behaupten ja, dieses Thema Buka-Welt, diese permanente Veränderung, permanente Innovation, ist etwas Neuzeitliches. Aber tatsächlich ist das ja auch in den vergangenen Jahrhunderten schon immer da gewesen. Ich finde persönlich auch nicht nur in der Aufklärung, auch im Mittelalter gab es immer Innovation und Fortschritt, aber ich glaube mit der Aufklärung hat sich auch noch was Entscheidendes verändert, nämlich der Wille zur Reflexion. Der Wille zur Reflexion und das Entscheidende war, an die Wurzeln zu gehen, also radikal an die Thematik anzugehen. Wir brauchen eine bessere Welt und da reicht es nicht, den Adel abzuschaffen und die Kirche einzudämmen. Das ist nur negativ. Wir müssen was Positives aufbauen. Also eine Begeisterung für positiven Aufbau. Und da wurde gesagt, wir müssen bei den kleinen Kindern anfangen. Wir sind noch nicht verdorben von der Gesellschaft. Das Zeitalter der Schulpädagogik wurde im 18. Jahrhundert gegründet. Also dieser Aufbruch beim Menschen anzufangen, genau das ist ja jetzt das Thema, was wir auch in den Organisationen haben, nämlich die Erkenntnis, es reicht nicht, nur die Produktionslinien, die Wertschöpfungsketten umzubauen, also so ein Engineering zu machen. Wir brauchen auch ein anderes Mindset. Personalentwicklung hat auch ganz viel mit Persönlichkeit zu tun. Und da haben wir genau die Verbindung zur Aufklärung, nämlich über den Einzelnen für eine bessere Welt weitzutragen. Augenblicklich ist das noch ein bisschen verkürzt, also bessere Gesellschaften, bessere Firmen und Organisationen. Da ist auch noch ein Defizit, nämlich da den Link dann herzustellen. Coaching ist das auch ein Beitrag für eine bessere Gesellschaft, die wir wirklich nötig hätten. Guter Punkt, diese Analogie zwischen Aufklärung und der heutigen Zeit, dass quasi Innovation und Technik das ist, was zur Lösung geführt hat all der Probleme auch in der Aufklärung und dass heute vielleicht diese Zukunftsperspektive ist, analog dazu, Technik, Coaching, Plattform, dass auch das eine Lösung sein kann. Und Sie haben ja gesagt, Online-Coaching gehört die Zukunft. Da schwingt ja eine sehr positive Sicht auch auf moderne Technologien, auf Digitalisierung mit. Das heißt für Sie ist da kein Widerspruch zwischen dem Format Coaching und den digitalen Medien, die dafür genutzt werden. Naja, die Aufklärung, das ist eine Öffnung für Fortschritte, auch für wissenschaftliche und technologische Fortschritte. Und Schauen wir doch mal hin zu den neuen, wahnsinnig interessanten Erkenntnissen der Neuropsychologie. Wir alle sind ja Denkwesen, auch im Management. Unser Denken ist das Entscheidende. Die Gehirnsforschung hat ganz deutlich gemacht, da gibt es Teile im Gehirn, die sind gattungsgeschichtlich sehr neu, das Großhirn, unser Denken. Aber es wird völlig überschätzt. Wir werden eigentlich sehr stark gesteuert durch Bereicherung, so wie es in ganzer Geschichte viel älter ist. Und da entstehen dann die Reibungen. Das ist der Kern der Coaching-Problematik, dass es nicht so läuft, wie ich eigentlich will. Also diese wahnsinnige Spannung zwischen willkürlichen Prozessen eines rationalen Ich gegenüber den unwillkürlichen Prozessen eines emotionalen selbst. Das sind jetzt die Worte von Julius Kuhl. Das ist das spannende Thema. Und da sind wir wieder beim Thema Aufklärung. Das jetzt gut in Balance zu bringen. Sie sprachen von dieser Analogie, die ich höchst spannend finde. Und von dem Thema Innovation ging immer auch damit einher. Jetzt gab es 2018, um mal auf den Coaching-Markt zu blicken, ja von Middendorf diese Studie, dass der Coaching-Markt im Grunde noch gar nicht digital unterwegs ist und weit hinterher hängt. Dann kam Corona und jetzt sitzen wir hier zusammen Mitte 2023. Online-Coaching, was ist das für Sie und welche Medien benutzen Sie, wenn wir auf heute gucken, im Online-Coaching-Bereich? Ja, danke schön, Frau Wegner, für die Frage. Ich merke nämlich jetzt gerade, dass ich den wesentlichen Teil der Frage von Herrn Stefan noch gar nicht fertig beantwortet habe, aber das kann ich jetzt miteinander verbinden. Ja, ich hatte eben gerade gesagt, die große Lösung ist mit den emotionalen Prozessen, die in uns passieren, einen Abstand zu bekommen, aus dem Abstand zu betrachten, um es bearbeiten zu können. Und da sind genau die ganz, ganz großen Vorteile des digitalen Coachings, weil im Kursenscoaching wird in der Regel gesprochen, vielleicht auch Fipsch hat ein bisschen was aufgezeichnet, aber das Miteinander sprechen schon sehr sehr zentral. Das ist auch nicht schlecht, aber der ganz große Nachteil ist die Flüchtigkeit des Wortes. Und es besteht auch eine große Abhängigkeit von der Gesprächsführung des Coaches. Und die modernen Medien bringen da einen großen Innovationsstufe. Ich unterscheide da mal drei Gruppen, nämlich Text- und Zeichenbasierte, die unterstützen den Reflexionsprozess. Also die Flüchtigkeit des Wortes wird überwunden, indem die wichtigsten Dinge aufgeschrieben werden und zwar am besten von den Klienten, weil das ist dann ihr Baby. Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit. Die Nachhaltigkeit wird dadurch besteuert und wenn das digital passiert ist das sehr viel niedrigschwelliger als wenn wir das auf Pitch-up machen. Da kann man nicht so gut korrigieren und da schreibt man in der Regel dann auch sehr gut. Das ist das erste und das zweite. Virtuelle Welt mit Avataren, Also eine Visualisierung vor allem der Emotionalität, die im Raum ist, die bei mir ist, die ich bei den anderen wahrnehme. Und das ist das ganz, ganz dicke Problem bei jedem Coaching-Gemein. Also der Umgang mit Emotionen, die uns steuern, die unser Wahrnehmen und auch unser Denken schauen. Das lässt sich dann mit den Avataren in den virtuellen Welten visualisieren und dann bearbeiten. Das ist der ganz, ganz große Vorteil. Darf ich da direkt kurz noch mal einhaken? Entschuldigung Michael, du willst auch das wissen, das ist auch spannend. Ich lasse dir den Vortritt. Danke, weil Sie sagten, Emotionen sind unser blinder Fleck und die lassen sich durch diese Avatare visualisieren. Würden Sie behaupten, dass das nur durch Avatare zum Beispiel möglich ist, also nur online in diesem digitalen Raum? Nein, aber am besten. Man kann natürlich auch mit Bildern arbeiten, auch mit Postkarten. Das geht auch im Präsenzcoaching, das ist ganz wunderbar. Aber das sind dann Bilder, die sehr assoziativ sind. Und dann kommt es auch an, wie das Gespräch geführt wird. Man kann ihnen das Bild mental einschränken usw. Aber was richtig spannend ist bei den Avataren, dass sie sich bewegen können. Es gibt Plattformen, ProReal denke ich etwa. Da gibt es 20, 25 Möglichkeiten, wie die Avatare ihre Gefühle ausdrücken. Und das ist ja das total spannende, dass viele CoGs, vor allem Männer, Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken. Und wenn sie es ausdrücken, dann benutzen sie eine Sprache, die ihrem Selbstbild entspricht. Und das ist ja Teil des Problems in der Regel. So kann man sagen, wie fühlst du dich denn jetzt in dieser Situation? Wie hast du dich gefühlt in der Situation mit dem Kunden. Klick einfach mal die verschiedenen Gesten, Bewegungen und fühl einfach mal hin, was repräsentiert das am besten, was du da gefühlt hast. Also Kopf einfach mal ausschalten und ins Gefühl gehen Und die Versprachlichung der Gefühle kann dann nachgeschaltet werden. Da ist man sehr viel näher an den Gefühlen ran. Das ist sehr wichtig, um die dann zu bearbeiten. Ich würde an der Stelle zwei Fragen anschließen wollen. Also ich glaube, es ist gerade sehr schön deutlich geworden, dass digitales Coaching, wenn die Medien richtig und passend auch von der Mixtur her eingesetzt werden, große Mehrwerte bieten können. Wir haben ja schon vor zehn Jahren mal gemeinsam an der Marburger Coachingstudie gearbeitet. Damals ging es vor allem um die Frage, wie relevant ist denn das Coaching mit neuen Medien überhaupt? Damals waren die Ergebnisse noch, wie ich finde, recht ernüchternd. Also neue Medien war damals Coaching übers Telefon und sowas wie Videokonferenz oder Avatar war ja noch ganz weit weg. Die zwei Fragen, die ich jetzt hier gerne anschließen wollte, ist und die sind jetzt auch an Sie als Experte gerichtet, auch einen guten praktischen Überblick hat, wie relevant ist denn mittlerweile dieses digitale Coaching? Und die Botschaft habe ich vorhin wohl gehört, allein mir fehlt der Glaube, dass dieser Medienmix, dieser intelligente Medienmix auch eingesetzt wird. Also wie viel Coaches nutzen denn digitales Coaching wirklich auch in einem voraussetzungsvollen Medienmix, den Sie gerade so beschrieben haben, der dann wirksam sein kann? Ich glaube, das ist sehr, sehr selten. Die meisten brüsten sich und sagen, ja, bitte alles an Präsenz- und Online-Coaching. Und Online-Coaching ist dann in der Regel Coaching mit Videokamera. Das ist dann genauso, als würden wir jetzt hier in einem Raum sitzen und miteinander sprechen. Das ist zu wenig und da muss ich ganz deutlich sagen, da ist die Media Richness von Präsenzcoaching besser. Ja, kurz eingehakt, was ist Media Richness? Das ist die Reichhaltigkeit oder die Werthaftigkeit, darüber muss man dann reden, der eingesetzten Medien, also das Potenzial, was die Medien bieten, um etwas Wertvolles zu generieren. Die Frage ist, welches Medium ist für welchen Organisationszweck am besten geeignet. Wurde gesagt, also wenn es nur um die Informationen der Mitarbeitenden geht, eine Rundschreibung ist das Beste, weil es auch ökonomisch ist. Aber wenn wir Probleme haben, bestimmte wirtschaftliche Daten zu interpretieren oder eine Strategie zu entwickeln, dann brauchen wir das persönliche Gespräch. Videokonferencing gab es damals noch nicht. Aber wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, ist Ihre Wahrnehmung so, dass für einen großen Teil der Coaches Digitales coaching eben nicht dieser intelligente mix auch mit zug auf richness Darstellen sondern dass es einfach eine videokamera ist Video kam vielleicht mit textbasierten tools wie miro oder whiteboard Kontrollen das schriftlich etwas festgehalten wird dass mit ein paar Grafiken gearbeitet wird. Aber das ist zu wenig, weil das eine Unterstützung unserer rationalen Potenziale ist. Das ist super, das ist gut, aber das Gegengewicht fehlt. Das ist eigentlich das Kernthema. Wie kann ich meinen Umgang mit Gefühlen verbessern? Dazu brauchen wir Bilder und bewegte Bilder, also Filme, Avatare, die wir gestalten können. Es wird so gut wie gar nicht benutzt, wohl auch deswegen, weil man dazu bestimmte Qualifikationen braucht. Das kann man nicht einfach mal so machen, das muss man richtig lernen. Und da ist eine Qualifikationslücke bei den meisten Coaches. Ist das auch das Thema Kommunikation? Weil ich ja dadurch, wenn wir jetzt an die Avatare denke, ein Objekt quasi in eine direkte Kommunikation einbinde als Player der Kommunikation. Sowas, was ich vorher ja noch nie gedacht oder gemacht habe. Also ich bin jetzt vorsichtig, damit ich nicht ein Missverständnis in die Welt setze. Es gibt Avatar-Coaching, aber das ist etwas ganz Problematisches, also Second World oder so etwas, wo Coach und Coachee in die Rolle eines Avatars gehen. Das halte ich nicht für sinnvoll, Und zwar deswegen, weil da unglaublich viel Energie abgezogen wird auf die technische Führung der Avatare. Virtuelle Welten mit Avataren sind besonders gut geeignet für Aufstellungsarbeiten. Wo ich sage, es war eine schwierige Situation mit meinem wichtigsten Kunden, mit dem Geschäftsführer so und so und das Gespräch ist komisch gelaufen und nachher hatte ich ein blödes Gefühl. Ich verliere vielleicht einen ganz wichtigen Kunden. Da ist es wichtig, mal herauszukriegen, was war denn da eigentlich los? Also ich frage meine Klienten, gab es da eine Stelle, die für den Gesprächsverlauf ganz wichtig war, so eine Art Weichenstellung? Ja, gab es. Gab es da eine Situation, die besonders wichtig war, also vielleicht einen Satz oder eine Frage, die Sie gestellt haben und der Kunde dann beantwortet hat oder umgekehrt, so eine kleine Interaktion, den überlegen, ja, gab es. Und dann schreiben wir das auf, weil die Avatare, die sind mit Sprechblasen ausgefüllt, dann ist klar, was an der Oberfläche gesagt worden ist und dann nutze ich eine Technik, die ich als Organisationsentwickler schon sehr früh von Argeris gelernt habe, Organisational Learning, nämlich zu gucken, okay, das ist gesagt worden und jetzt versuche ich mich noch mal zu erinnern, wie war das so, was haben Sie denn in Wirklichkeit gefühlt und gedacht? Das ist häufig was ganz anderes. Es wurde gesagt, das ist ein super Angebot und dabei habe ich gedacht, kapiert er sowieso nicht. So kann man dann Schlüsselszenen bearbeiten in ganz, ganz kleinen Schritten und Man kann dann auch die Gefühle, die da waren, die einen selbst getrieben haben, wie man beim anderen wahrgenommen hat, ausdrücken, indem die Avatare sich entsprechend bewegen, also ihre Gefühle gestisch ausdrücken. Das ist schon sehr, sehr hilfreich, da mal hinzuschauen, weil diese Schlüsselstellen sind häufig die blinden Flecken und da tappt man immer wieder rein, weil es eigene Muster sind, die einen da hineinführen. Jetzt bitzelt es mich, eine Frage zu stellen, die in die Zukunft blickt, wenn wir schon einen solchen Medienexperten hier da haben. Wenn wir mal 20 Jahre in die Zukunft blicken, ich weiß, das ist schwierig, sehen Sie da Potenzial für den Couch-Spot oder wird es den Couch als Person, als Mensch immer benötigen? Ja, CoachBot gibt es ja eigentlich schon längst. Die Wurzeln, die habe ich ja selbst gelegt. Das war 2003 mit meinem Programm virtuelles Coaching. Da war ich auch nicht der Erfinder, also ich habe das adaptiert von TimeLapseBenz. Die Kunst ist, wenn jemand ein Problem hat, das Problem zu strukturieren mit Leitfragen. Und die werden dann abgearbeitet und miteinander vernetzt. Und jetzt kann man das noch mit künstlicher Intelligenz verbinden. Das ist aber im Grunde so eine Art Moderationstechnik und wenn man heute mal ZGPT sich anguckt, dann kann man sehr leicht bewährte Tipps einspielen. Wenn das das Problem ist, dann könnte das und das die Lösung sein. Ich finde das wunderbar, um sich vorzubereiten, aber das ist immer Konfektion von der Stange. Aber niemals Maßgeschneider. Das kann man sich anregen, aber wenn man ein ernsthaftes Thema, ein ernsthaftes Problem hat, dann will man auch eine maßgeschneiderte Antwort haben. Und dazu ist dann ein Coach notwendig. Und wenn der qualifiziert mit künstlicher Intelligenz und entsprechenden Bots umgehen kann, umso besser. Also in meiner eigenen Ausbildung mache ich das so, ich sage, wir nutzen das und das ist euer Co-Trainer oder Co-Coach. Also mit dem kommunizieren wir, aber das Maßgeschneiderte, das machen wir dann ganz persönlich. Also da sehe ich eine interessante Anreicherung mit deutlichen Grenzen. Also ich würde den Markt verändern. Sie sagten, dass viele Coaches, wenn es um Online-Coaching geht, so vorgehen, dass sie quasi das eins zu eins in physischer Anwesenheit einfach auf Video Call übertragen. Ja, das nennen die dann Digitalisierung. Viele Ausbildungen, die angeboten werden, machen es aber ja auch inhaltlich ähnlich. Also wenn sie dann sagen, digitales Coaching, sagen Sie, so kannst du es übertragen, dann nutzt das MiroBot und Co. Wie schließen wir denn diese Bildungslücke, also in der Qualifikation der Coaches? Naja, also wir haben ja einen völlig unregulierten Markt. Das ist ja das Blöde auch die Verbände, Das sind ja im Grunde Marketinginteressen, die die Menschen da zusammenschließen. Ich sehe da die größte Hoffnung bei der Akademisierung der Coachingausbildung, dass also Universitäten und Fachhochschulen sich dessen annehmen, dass die evidenzbasierte Forschung voranschreitet und deutlich macht, welche unglaublichen Potenziale Online-Coaching bietet. Ich unterscheide ja zwei Medientypen, das ist ja noch richtig, Kommunikationsmedien und digitale Problemlösungsmedien. Online-Coaching ist im Wesentlichen die Nutzung der digitalen Kommunikationsmedien und diese ganzen Potenziale der digitalen Problemlösungsmedien, die sind bisher in der Praxis noch gar nicht angekommen. Könnten Sie mal ein Beispiel nennen für so ein digitales Problemlösungsmedium? Ja, also das sind textbasierte Tools mit vorgefertigten Coachingfragen, die die Coaches vielleicht auch im vorbereitenden Selbstcoaching beantworten und die dann besprochen werden. Das sind digitale Bild- und Textbasierte Tools, wie das Zürcher Ressourcenmodell online. Also mit Bildern wird da gearbeitet. Das ist dann auch avatarbasierte Tools wie Coreal oder ProReal. Damit arbeite ich sehr gerne. Das ist mein Lieblingstool. Das ist allerdings auch sehr anspruchsvoll. Das sind Problemlösungstools, die in einer geschickten Weise mit den Kommunikationsmedien verbunden werden müssen. Und um den Kommunikationskanal nicht zu überlasten, ist es wichtig, dass diese sehr intensiv visuellen Problemlösungstools dann gut mit dem Kommunikationskanal verbunden werden. Deswegen sage ich immer, schaltet die Videokamera bitte schön ab, weil dann ist die Immersion, also das Eintauchen in diese Welt sehr viel besser, als sich dann gegenseitig noch mit Kamera zu sehen ist, hinderlich. Und das muss aber alles gelernt werden. Was mich freut, Herr Geißler, ist, dass es ja nicht nur einer grundlegenden Ausbildung bedarf, um ein bisschen zu partizipieren an diesem Wissen, was Sie haben in Bezug auf digitale Medien und Coaching, sondern Sie haben auch ein Buch geschrieben darüber. Ja, mit einer Kollegin, Stefanie Rödel, Praxishandbuch Professionelles Online Coaching, gerade erschienen im Januar. Wir haben nochmal drauf geguckt auf die Forschung zum Online Coaching und haben versucht, das dann für Praktikerinnen auch zu bereiten. Und wir haben auch eine Plattform, eine Website generiert, online-coaching-supervision.com. Ja, da versuchen wir, die Online-Coaching-Community zu professionalisieren. Da kann man die ganzen Materialien kostenlos herunterladen. Wir haben spannende Interviews mit Entwicklern von Problemlösungstools. Die stehen da alle, kann man alles kostenlos herunterladen und auch gerne kommentieren. Wir setzen auf den Dialog mit allen, die sich mit uns auf die Reise machen wollen. Herr Geißler, ich würde gegen Ende noch eine wichtige Thematik aufwerfen, die auch vieles von dem bündelt, was wir jetzt gerade in der vergangenen halben Stunde diskutiert haben und ein Thema, was uns sehr kontrovers diskutiert wird, Nämlich die digitalen oder Online-Coaching-Plattformen. Da geht ja vieles zusammen. Digitale Medien, da ist ja immer wieder der Vorruf im Raum, naja, was diese Plattformen bieten, ist eben nichts Maßgeschneidertes, sondern viel von der Stange. So Coaching mit Platten, einfachen, standardisierten Tipps. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Ich weiß, das ist eine große Frage. Es gibt ein breites Spektrum an Plattformen und Plattform-Geschäftsmodellen, aber mich würde dennoch Ihre Meinung interessieren. Ja, also in Ihrer Studie unterscheiden sie ja auch so zwei Typen, Justin Time Coaching und Prozessorientierte Beratung. Soweit ich das mitbekommen habe und ich habe da auch zu Plattformanbietern Kontakte, ist das Wagtpotenzial bei Justin Time, dass Das Geschäftsmodell ist clever, sagen wir mal so. Die meisten Coaches haben Probleme in der Akquise und freuen sich, wenn sie Kunden auf dem Wirrwarrtablett serviert bekommen. Das zweite große Problem ist, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eigentlich Coachingbedarf, tauen sich aber nicht, sich zu outen und da gibt es dann interessante Möglichkeiten, dass das Unternehmen solche Gutscheine einkauft und man sie einlösen kann. Also es geht relativ niedrigschwellig. Das ist das Positive. Was ich von Coaches höre, ist häufig aber nicht so viel positives, nämlich dass Coaching weiterhin verordnet wird und die Klienten sagen, naja, gut, also ich gehe jetzt mal hier, weil ich hier sein muss, aber eigentlich habe ich kein Thema und kein Problem. Und Es wird erwartet, dass die Coaches dann, ich sag mal, zurechtgewogen werden. Der Vorgesetzte des Unternehmens hat ein Problem mit diesen Mitarbeitern, weil sie zu eigenständig denken oder so was. Und das soll irgendwie passend gemacht werden. Und das ist so eine Sozialtechnologisierung, die problematisch ist und dem Image von Coaching schaden wird. Ja, das klingt danach, als ob da auch Aufklärungsarbeit notwendig ist in den Organisationen und Bildungsarbeit, um zu sagen, wann ist denn Coaching das angemessene, sinnvolle Instrument und wie passt das für die Klientel? Coaching to go, also auf dem Weg zur Arbeit in der Uber nochmal eben, naja, da muss man sich fragen, ist das wirklich Coaching oder ist das nur eine Form von beratungsorientiertem Mentoring? Stichwort Markt. Da gibt es ja auch durchaus Experten, die da die Meinung vertreten, unter anderem Uwe Böning, dass sich da der Coaching-Markt in zwei Richtungen spreizen wird. Einerseits dieses eher beratungsorientierte, was sie gerade so als beratungsorientiertes Mentoring bezeichnet haben, dieses Coaching to go und wirklich dann dieses voraussetzungsvolle langfristige lernorientierte reflexive Format. Wie sehen Sie das? Ja, sehe ich so ähnlich. Man muss mal gucken, wie sich Coaching in den 80er, 90er Jahren in Deutschland etabliert hat. Also ich finde die Hypothese ganz interessant, dass die Unternehmen zunehmend Interesse bekommen haben, die großen anstehenden Change-Prozesse nicht in die Hand von großen Beratungsunternehmen zu geben, sondern sie selbst zu steuern. Und dazu war es notwendig, dass man die Change Agents entsprechend qualifiziert. Also, dass dann Stop Management oder interne Coaches dann auch die Umsetzung der Beratungsergebnisse betreuen. Weil diese Change Prozesse, Roland Berger, McKinsey und so weiter, da werden dann 17 Aktenordner übergeben, was man eigentlich alles machen müsste, aber die ganze Umsetzungs-Area, damit sind die Unternehmer dann allein gelaufen. So, also ich glaube, Das ist eine Entwicklungslinie, die immer noch greift. Das ist eine ganz enge Verzahnung zwischen Coaching und Management-Strategieberatung. Herr Geißler, mit Blick auf die Uhr, Vielen Dank, dass Sie heute unser Gast waren. Vielen Dank für die Zukunftsbilder, für Ihre Prognosen, vor allem aber auch vielen Dank für die Aufklärungsarbeit. Das meine ich im doppelten Wortsinn jetzt, die Sie geleistet haben. Ich habe wirklich viel gelernt über Richness von Medien, über auch den intelligenten Medienmix. Also ganz herzliches Dankeschön dieses Mal nicht an dich kam nach Hamburg, sondern an Sie, Herr Geisler, nach Hamburg. Dankeschön, es hat mir Spaß gemacht. Und bleiben Sie weiter dran an Ihren Marburger Coaching-Studien, die ich mal mitinteressiere. Das machen wir. Herzlichen Dank, Herr Geisler.

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